Geringeres Wachstum, mehr Qualität – der Podcast-Markt ist im Wandel. Wellenrauschen zeigt, welche Podcast-Trends 2023 angesagt sind.
Ist das Glas halbvoll oder halbleer? Nun, diese Sichtweisen lassen sich problemlos auf das zurückliegende Podcast-Jahr übertragen. Der pessimistische Blickwinkel: Der Ukraine-Krieg, Inflation, steigende Zinsen und fallende Aktienkurse zwangen Unternehmen dazu, Kosten zu senken. Unter den Einsparungen bei Werbe- und Produktionsbudgets litt auch der Podcast-Markt.
„Es fühlt sich an, als war 2022 das Jahr, in dem Podcasting auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurde. Nach Jahren des rasanten Wachstums, Podcast-Hits, die zum Mainstream wurden, großen Unternehmensinvestitionen und dem Hype um den kommenden Markt (4 Milliarden Dollar bis 2024!!), wurde der Optimismus in der Branche durch die unsichere Wirtschaftslage gebremst“, schreibt Ariel Shapiro von The Verge in seinem Jahresausblick 2023.
Spotify streicht Stellen
Demnach könnten in diesem Jahr die Podcast-Werbeeinnahmen in den USA ähnlich wie im Vorjahr um 28,8 Prozent wachsen. Dies sei jedoch nur etwa die Hälfte der Wachstumsrate, die Podcasting im Jahr 2021 verzeichnete. Schlimmer noch: Es wird erwartet, dass diese Rate im Jahr 2024 um mehr als 10 Prozentpunkte sinkt, blickt Max Willens, ein leitender Analyst bei eMarketer, im Beitrag von The Verge voraus.
Erste Anzeichen gab es im vierten Quartal 2022, als führende Streaming-Anbieter wie Spotify ankündigten, Mitarbeiter zu entlassen. Zudem stellte das Unternehmen in den USA exklusive Podcast-Shows ein. Branchenkenner bewerten diese Maßnahmen eher als Marktkorrektur, denn als Abwärtstrend.
Podcasts werden erwachsen
Im Podcast-Markt Europa und speziell in Deutschland herrscht unter Experten vorsichtiger Optimismus. „Wir sind an einem spannenden Punkt, weil der Markt eine größere Reife annimmt. Podcasts werden erwachsen“, sagt Stefan Schimming in seinem Format „Erfolgreich Podcasten“.
Laut seiner Einschätzung werden sich Audio-Formate in diesem Jahr nicht nur als Ergänzung, sondern als Konkurrenz zu Social-Media-Kanälen etablieren. „Durch die vielen kurzen Videos und Reels auf TikTok und Instagram sinkt die Aufmerksamkeit der User. Bei Podcasts bleiben die Hörer viel länger dran. Das schafft keine andere Plattform“, sagt Schimming.
Wellenrauschen fasst 5 Podcast-Trends für 2023 zusammen:
1. Neue Formate, mehr Qualität
Die Zahl neu veröffentlichter Podcasts nimmt stetig zu. Typische Talk- und Interviewformate werden Konkurrenz bekommen durch aufwendig produzierte Shows wie Fiction-, Storytelling- und Doku-Podcasts. So entstehen hochwertigere Formate mit starken Geschichten, die professionell produziert werden.
Was Branded Podcasts angeht, werden sich Unternehmen 2023 stärker auf Qualität als auf Reichweite fokussieren. „Podcastformate werden noch hochwertiger und noch aufwändiger produziert. Ob Audio oder Video – der Wunsch nach Entertainment in Form von seriellen Formaten, fiktiv wie dokumentarisch, wächst in der Zielgruppe“, sagt Annamaria Herkt von OSK Waves im Jahresausblick von Podstars by OMR.
Unternehmen sollten sich davon verabschieden, eine Top-10-Platzierung in den Podcastcharts anzustreben. Vielmehr gehe es darum, sich zu positionieren, Wissen zu teilen und zur Meinungsbildung beizutragen, äußert Felicia Mutterer von Achtung! Broadcast im Trend-Report von Podstars by OMR. Die Expertin weiter: „Über das Medium lassen sich unternehmerische Werte und Innovationen transportieren und so eigene Angebote/Produkte vermitteln.“
Auch Stephan Schreyer, einer der führenden Experten im Corporate Audio-Bereich, sieht Unternehmen in der Pflicht, sich intensiver mit Audio zu befassen. „Ich bin überzeugt, dass Corporate/Branded Podcasts in 2023 weniger wachsen werden in der absoluten Summe – wohlgleich aber in der Dynamik. Bei den Formaten erwarte ich, dass sich diese zukünftig deutlich stärker an der jeweiligen Zielgruppe orientieren werden und müssen. Ein ,Podcast für alle’ wird nicht mehr funktionieren. Dazu gehört, einen Podcast länger und integrierter zu denken, als eine Art Gesamtpaket inklusive YouTube, TikTok“, meint Schreyer in der Experten-Umfrage von Podstars by OMR.
2. Video-Podcasts steigern Reichweite
Video-Content wird auf Social Media immer gefragter und beliebter, gleichzeitig nimmt auch die Popularität von Podcasting zu. Um die Reichweiten zu steigern, tendieren immer mehr Podcaster zu einer Kombination aus Audio- und Videoformat.
„Ich verstehe, dass Podcasting in erster Linie für die Ohren ist. Aber die Gruppe von neuen Hörern geht mit anderen Erwartungen heran. Für viele von ihnen besteht die Annahme, dass Videos ein Teil ihrer Podcast-Erfahrung sein werden und sein sollten. Und wenn sie diese Videokomponente in ihrem Podcast nicht finden, werden sie sich fragen, warum sie ihnen diese Erfahrung nicht bieten“, sagt Evo Terra in seinem Blog-Beitrag zu den Podcast-Trends 2023.
3. Stärkere Feedback-Kultur
Podcasts bedienen noch immer zu stark das Sender-Empfänger-Modell. Bedeutet: Der Moderator verbreitet Content, die Community hört zu. Um die Aufmerksamkeit der Hörer nicht zu verlieren, wird es 2023 noch stärker darauf ankommen, mit ihnen in den Austausch zu kommen. Social-Media-Kanäle bieten die ideale Plattform, um Themen aus DM’s, Kommentaren, Markierungen oder Story-Interaktionen aufzugreifen und im Podcasts zu diskutieren.
„Was ein Podcast super kann: Menschen aus dem Publikum zu Mitgliedern einer Community machen. Warum nicht Community-Mitglieder einladen, für dieses Podcast-Interview Fragen zu stellen“, sagt Krautreporter-Gründer Sebastian Esser in der turi2 Edition zum Thema Podcasts.
4. Werbung gewinnt an Relevanz
Podcast-Werbung gewinnt an Relevanz. Mit Hilfe von „Dynamic Ad Insertion“ werden Spots automatisch in Podcasts integriert. Dadurch können Publisher neue und bereits hochgeladene Folgen monetarisieren, ohne die Audio-Dateien extra bearbeiten zu müssen.
Auch für Unternehmen bietet Podcast-Werbung Chancen. „Kampagnen sind besser plan- und steuerbar. So kann sich der Podcast-Markt noch mehr professionalisieren. Also ein Win-win-win“, sagt Kia Hempel, Teamlead Sales bei Podstars.
Ihr pflichtet Georgina Holt, Geschäftsführerin von Acast Amerika im Blogbeitrag von Pacific Content bei: „Aus Sicht der Werbetreibenden werden 2023 diejenigen gewinnen, die weiter in großem Umfang investieren und die Vorteile der Targeting-Technologie nutzen. Untersuchungen haben ergeben, dass im Vergleich zu anderen Kanälen immer noch zu wenig in Podcasting investiert wird, wenn man die enorme Zeit bedenkt, die das Publikum mit dem Medium verbringt.“
5. Abos und kostenpflichtiger Content
Die Mehrheit der Podcasts ist kostenlos und wird es bleiben. Zukünftig bieten Streaming-Plattformen wie Spotify und Audible aber auch immer mehr kostenpflichtige Podcasts an.
Diese sind häufig aufwendig produziert und zeugen von Qualität. Bezahlformate und kostenpflichtiger Zusatzcontent werden 2023 noch nicht Durchbruch schaffen, aber immer mehr Hörer werden bereit sein, für qualitativ hochwertigen Content zu zahlen.
„Premium-Abos und exklusive kostenpflichtige Inhalte – einige ‚Früh-Anwender‘ haben siebenstellige Abo-Einnahmen von Fans erzielt, die bereit sind, für weitere Inhalte zu zahlen. Aber die meisten Podcast-Produzenten haben es noch nicht einmal versucht“, sagt Jason Sew Hoy, Gründer von Supercast im Jahresausblick von Pacific Content.